Beste Werbung für moderne Blasmusik
Das Adventskonzert des Musikvereins Weiskirchen hat alle Erwartungen übertroffen. Das große Orchester, als hätte es nie Pandemie-Probleme gehabt.
Weiskirchen – Bis auf ein paar Augenblicke, als ein reißerisches Jazzsolo der 1. Trompete im Überschwang leicht schräg verrutschte, gibt es an diesem Adventsauftritt des Gesamtorchesters des Musikvereins Weiskirchen im voll besetzten Bürgerhaus nichts zu kritisieren. Das war beste Werbung fürs moderne Blasmusik-Wesen. Ein hingemeißeltes, Klang gewordenes Ausrufezeichen.
Der Reihe nach. Das Vorprogramm gestalteten nacheinander mit jeweils drei Darbietungen „Monday Music“ (Ausbildungsorchester Erwachsene plus einstige Mitglieder des Jugendorchesters) sowie das Jugendorchester. Beide geleitet von Anja Schrod. Sie führte auch – beseelt und charmant – durch diesen ersten Teil des zweieinhalbstündigen Abends.
Kurz, informativ, entspannt und ohne abzulesen sprachen später auch die weiteren Ansager zum Publikum: Vorsitzender und Trompeter Sebastian Wilhelm, Saxophonist Christian Massoth und Maestro Dietmar Schrod. Der etatmäßige Moderator der Weiskircher, Bastian Korff von hr 2, hatte eines Trauerfalls wegen kurzfristig absagen müssen.
Monday Music’s Bestes: der starke Up-Tempo-Song der Rockband „Queen“, „Don’t Stop Me Now“. Die Wiederholung seines mitreißendsten Parts war dann auch die Zugabe. Ebenso verfuhr anschließend das Jugendorchester. Als Zugabe brachte es den packendsten Teil seines Set-Finales noch mal: ein Michael-Brown-Arrangement von Songs der Boygroup „One Direction“.
Ein bisschen dezimiert war das stattliche Jugendorchester. Einige Mitglieder fehlten krankheitsbedingt. Für andere war es ihr erster Auftritt vor Publikum. Umso erstaunlicher ist es, welch schönen, geschlossenen, dichten, holzbläser-farbenen Sound das erfreuliche Newcomer-Orchester hinbekam. Seit Jahren mit eines der besten des erfolgreich Jugendarbeit betreibenden Vereins.
Nach der Pause eilte Dietmar Schrod vor sein Orchester. Und das kann so nur er: Mit dem kleinen Finger seiner linken Hand in Richtung Klarinetten weisend, setzt er draufgängerisch eine Musikmaschinerie in Gang, die sich bis zum finalen Akkord der letzten Zugabe (diesmal waren es drei) nicht mehr stoppen zu lassen scheint.
Schrod hatte beim geradezu abhebenden stürmischen Schlusspart der das Konzert beendenden „Jazz Police“ von Gordon Goodwin gar einen Moment lang Mühe, seinem sich förmlich verselbstständigenden Tutti dirigistisch auf den Fersen zu bleiben. Meist ist derlei umgekehrt: Ein Orchester hat Last, seinem das Tempo verschärfenden Dirigenten zu folgen.
Wie schon bei Duke Ellingtons „It Don’t Mean a Thing“ krisch Matthias Häfners herrliche High-Note-Trompete bei Goodwins monolithischer Wucht-Nummer in luftigster Höhe. Und Christian Massoth blies inmitten dieses massiv abrockenden Bigbandjazz ein wildes Altsaxophon-Solo. Er erntete dafür Szenen-Jubel. „The Jazz Police“, ein würdiges Finale eines tollen Programms, bei dem sich zwei Drittel der Stücke als glanzvolle Schlussakte angeboten hätten.
Etwa der Marsch aus Dmitri Schostakowitschs „Jazz Suite No. 2“ zum Auftakt des Konzerts. Ihn stellten die Weiskircher wie ein endgültiges Statement in den Raum. Oder das tierisch abgehende Traditional-Arrangement von Harald Kolasch, „Posaunen von Jericho“, mit dem geschmeidigen, enorm wendigen Posaunensatz des Orchesters als Solist.
Da waren aber auch die von anrührenden Melodielinien durchzogenen, getragen kammermusikalischen, elegischen Passagen. Etwa in „The Godfather Saga“ aus „Der Pate“. Dabei kam die Häfnersche Solotrompete mit wunderschön gestaltetem Vibrato-Ton daher. Auch die Interpretation von Jacob de Haans „The Saint and the City“ rief ein Wechselbad der Emotionen hervor. Von berührend melodiös bis fortissimo-monumental.
Dabei ließ Schrod den Schlussakkord hoch- und dann umgehend abreißen. Umwerfend. Die Weiskircher agierten insgesamt, als hätten sie in den zurückliegenden knapp drei Pandemie-Jahren keinerlei Corona-Probleme gehabt. Mit dem Niveau ihres Konzerts unter dem Motto „Höchste Zeit“ zeigten sie allen Krisen den Mittelfinger.(Manfred Meyer)